Kurze Zeit nachdem Porsche den Ausstieg aus der CanAm-Serie bekannt gab, drehte ein neuer Prototyp aus Stuttgart unter strengster Geheimhaltung seine Kreise in Weissach. Aber auch schon
damals hatten Erlkönige eine kurze Halbwertszeit. Porsche erklärte nach der Entdeckung des Wagens, es handele sich nur um Langstreckentests mit einem 400 PS starken Carrera mit Turbomotor. Teile der Fachpresse
vermuteten einen Angriff auf den Marken-WM-Titel. Dazu war der Wagen auf dem Papier aber gar nicht in der Lage.
Immerhin trat man in der MMW gegen reine Prototypen an. Diese Prototypen durften 650 kg wiegen - ein Gewicht, an das auch die Matra nicht rankamen. Trotzdem war der Carrera in der “Ohrwaschel”-RSR-Ausführung mit ca. 890 kg viel zu schwer. Aber mit Leichtbau hatte Porsche ja sehr viel Erfahrung. Alle möglichen Teile, wie Türen, Hauben usw. wurden aus leichtem Plastik hergestellt. Das Reserverad, welches vom Reglement nicht vorgeschrieben war, entfiel. Weitere Änderungen brachten insgesamt eine Gewichtsersparnis von 71 kg gegenüber der 73er RSR-Version. Letztendlich brachte es der Wagen auf ein Kampfgewicht von ca. 820 kg. Das Gewicht der Matra-Simca soll bei etwa 670 kg gelegen haben.
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Deshalb war klar, daß der Carrera RSR Turbo kein Sieganwärter für die 74er MWM war, sondern ein Testträger für
die neue Gruppe 5, die ursprünglich ab 1975 geplant war. Tatsächlich fuhr man dann aber erst 1976 mit dem neuen
Reglement. Infolgedessen pausierte Porsche 1975, um dann ab 1976 mit dem 935 die Gegner zu Statisten zu degradieren.
Doch der Reihe nach....
Das erste Rennen
Das Vortraining zum 24h-Rennen von Le Mans, incl. 4h-Rennen, bot eine gute Gelegenheit für den ersten Test des
Carrera RSR Turbo unter Rennbedingungen. Die Streckencharakteristik kam dem Wagen sehr entgegen - und insgeheim erhoffte man sich bei Porsche ein gutes Abschneiden in Le Mans, auch wenn der Wagen von der
Papierform her keine reelle Siegchance hatte. Mit 450 PS aus 2,14 Litern Hubraum und über 800 kg Leergewicht hatte man gegen die reinen Prototypen nur Außenseiterchancen.
Aber in Le Mans galten schon immer andere Gesetze...
Die Premiere des RSR Turbo verlief alles andere als erfreulich. Helmut Koinigg fuhr als schnellster der Turbo-Piloten
eine 3.55 min. Als Turbo-Neuling war er eine Sekunde schneller als Herbert Müller, der schon viel Erfahrung mit Turbo-Fahrzeugen hatte. Den Carrera RSR mit Saugmotor nahm man immerhin gut 11 Sekunden ab. Die
Höchstgeschwindigkeit der RSR Turbo lag auf der Hunaudieres bei ca. 320 km/h. Dabei wurde aber der Vorderwagen sehr leicht und ließ keine exakte Führung mehr zu. Hohe Öltemperaturen bereiteten den Technikern
weitere Probleme. Der Tank des Wagens war in das Wageninnere verlegt worden. Dadurch ergab sich eine bessere Gewichtsverteilung, und das Gewicht des Treibstoffes hatte weniger Einfluß auf das Fahrverhalten, aber
auch ein höheres Gewicht, da eine spezielle Trennwand aus Stahlblech im Innenraum montiert werden mußte.
Technische Defekte (abgerissenes Ventil, Kupplungsschaden) verhinderten eine Platzierung im Rennen. Immerhin lag jedoch Herbert Müller längere Zeit auf dem 3. Platz.
Monza
Die Marken-WM begann mit dem 1000-km-Rennen in Monza. Porsche hatte dem TC (Turbo-Coupe) inzwischen
einen größeren Wärmetauscher verpasst, was die Öltemperaturen in akzeptable Bereiche drückte. Als positiver Nebeneffekt fielen etwa 20 Mehr-PS an, womit der Wagen nun bei 1,4 bar Ladedruck auf ca. 470 PS kam.
Obwohl die Streckencharakteristik von Monza dem Carrera RSR Turbo entgegenkam, hatte das TC gegen die
Prototypen erwartungsgemäß keine Chance. Müller/Lennep stellten das Coupe auf den 12. Startplatz. Im Rennen erschwerte Regen schnelles Fahren. Der schlagartig einsetzende Turboschub, verbunden mit der “Turbo
-Gedenksekunde” forderten den Fahrern alles ab. Daß das Turbo Coupe in einigen Rennen mit starrem Durchtrieb an den Start ging (normalerweise fuhr man mit einer 80%-Sperre), machte das Fahren nicht einfacher.
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Herbert Müller kam die Erfahrung, die er mit dem Turbo-Porsche 917/30 machte, zugute. Mark Donohue hatte sich
mit dem 917/30 eine spezielle Kurventechnik einfallen lassen, die dann von Herbert Müller, nach ausgiebigen
Gesprächen mit Donohue, übernommen wurde. Wegen des "Turbolochs" und dem unwilligen Einlenkverhalten wurde
die Kurve in drei "Geraden" eingeteilt. Auf der ersten Geraden wird der Wagen bis auf die Kurvengeschwindigkeit
abgebremst, auf der "zweiten Geraden" schlägt man einen Hacken um den Wagen in die richtige Richtung zu stellen
und gibt zugleich Vollgas, mit dem einsetzenden Turboschub mußte sich der Wagen dann auf der dritten Geraden
befinden, mit der Fahrzeugschnauze in die neue Richtung, um voll aus der Kurve rauszubeschleunigen. Mit dem einsetzenden Turboschub wurde der Wagen dann nach vorn katapultiert.
Müller/van Lennep belegten den 5. Platz im Gesamtklassement, womit man zufrieden sein konnte.
Spa
Zum 1000-km-Rennen im belgischen Spa trat Porsche mit einem geänderten Luftleitwerk am Heck und anderer
Stoßdämpfereinstellung an. Das Fahrverhalten wurde dadurch nicht unerheblich verbessert. Trotzdem war man den
Prototypen weiterhin klar unterlegen. Ein Grund dafür war, daß der Ladedruck an mind. 6 Streckenabschnitten
komplett zusammenbrach, die Leistung also von ca. 470 PS auf ca. 180 PS sank. Der Regen benachteiligte das TC
, gegenüber den Saugern, wegen der brachial einsetzenden Leistung zusätzlich. Mit dem 6. Startplatz konnte man trotzdem nicht zufrieden sein, zumal man hinter einem Ligier, dem direkten Konkurrenten stand.
Boxenstopp des TC von Müller/van Lennep in Spa
Trotzdem gelangen Müller/van Lennep mit dem 3. Rang die erste Podestplatzierung. Ein Ergebnis, mit dem man durchaus zufrieden sein konnte.
Nürburgring
Die Bezeichnung des Rennens erwies sich als Mogelpackung. Tatsächlich ging das Rennen nur über 753,555 km.
Dies war eine Nachwirkung der sogenannten Ölkrise. Während andere Veranstalter schon lange wieder über die übliche Distanz rennen ließen, kürzte man am Ring das Rennen um 25%.
Porsche brachte erstmals zwei Carrera RSR Turbo an den Start. Den zweiten Wagen fuhren Helmut Koinigg und
Manfred Schurti. Für die Werks-Porsche war die Nordschleife die Höchststrafe. Auf der schwierigste Rennstrecke
der Welt waren die Fahrer wegen des Turbolochs und der immer noch vorhandenen Hecklastigkeit nicht zu beneiden.
Gijs van Lennep beklagte ein hüpfendes Auto. Prompt “hüpfte” der RSR bei einem Überholversuch über die Kerbs in die Planken, was die Mechaniker zu ausgiebiger Nachtarbeit zwang.
Herbert Müller / Gijs van Lennep
Während die schnellsten Prototypen auf der Döttinger Höhe an die 300 km/h erreichten kam das Turbo-Coupe nur
auf gut 265 km/h und war damit noch langsamer als der Capri von Mass/Lauda. Die beiden Wagen erreichten im Training nur den 12., bzw. 14. Startplatz, was trotz der Umstände und der starken Konkurrenz ein wenig
enttäuschend war.
Im Rennen balgten sich die Werks-Porsche meist mit den schnellsten 2-Liter-Prototypen, bzw. mit dem Porsche 908/03 von Reinhold Jöst.
Schurti kollidierte später mit einem Carrera RSR und zerstörte dabei den rechten vorderen Kotflügel. Nach
Rücksprache mit dem Rennleiter durfte der Turbo ohne den Kotfügel, also als “25% - Formel 1”, weiterfahren. Schurti zum Fahrverhalten des Carrera RSR Turbo: “Der Carrera Turbo mußte so schnell geschaltet werden, daß es sich kaum lohnte die Hand vom Schalthebel zu nehmen. Unter 4000/min war nichts los, aber darüber
herrschte ein so ungeheurer Schub, daß das Heck ständig in Unruhe war.”
Der andere Werks-Porsche verlor Zeit an der Box, weil er nach einem Boxenstop nur träge Gas annahm. Man vermutete Blasenbildung in der Benzinleitung. “Herbert hat die Zündung nicht bei Vollgasstellung abgeschaltet, wie
wir das machen sollen .” meinte van Lennep.
Die beiden Werks-Porsche belegten im Rennen den 6. und 7. Platz, was man angesichts der vielen und starken
Gegner -immerhin waren die Werksteams von Matra, Alfa Romeo, Mirage, Renault, BMW und Ford vertreten- als beachtliches Ergebnis werten kann.
Spurverbreiterung extrem: Porsche Carrera RSR Turbo
Imola
Imola war für die Carrera RSR Turbo keine Reise wert. Beide Wagen fielen nach mäßigen Leistungen mit Turbo- bzw. Getriebeschaden aus.
Le Mans
Die 24h von Le Mans sind DAS Rennen des Jahres. Ein Sieg in Le Mans zählt mehr als der Titel des Marken
-Weltmeisters. Erfahrung war in Le Mans die halbe Miete, und Porsche trat seit den fünfziger Jahren regelmäßig in Le Mans an. An Erfahrung mangelte es also keinesfalls.
Während der cW-Wert des TC normalerweise bei guten 0,42 lag, fuhr man in Le Mans mit einen cW-Wert von 0,36.
Berücksichtigt man die riesigen 17” breiten Felgen und die daraus folgenden enormen Kotflügelverbreiterungen -in Verbindung mit dem riesigen Heckflügel- ein erstaunlicher Wert.
Die beiden Werks-Porsche starteten vom 7. bzw. 11 Startplatz. Die Fahrer hielten sich aus unnötigen Zweikämpfen
raus und spulten ihr vorgegebenes Programm ab. Trotzdem riss es den Wagen von Schurti/Koinigg nach 87 Runden mit Motorschaden aus dem Rennen.
Aber auch einige Gegner starben in der gefürchteten Nacht von Le Mans. Als der führende Matra plötzlich mit
Getriebeproblemen außerplanmäßig an die Box kam, und man schrauben mußte, schien der Sieg für den an zweiter
Stelle liegenden Carrera RSR Turbo von Müller/van Lennep zum Greifen nah. Interessanterweise fuhr Matra mit
Getriebe von Porsche, und so schien ein defektes Porsche-Getriebe Porsche zum Sieg in Le Mans zu verhelfen. Die
Reparatur des Porsche-Getriebe aus dem Matra-Simca dauerte lang, denn damals durfte nicht mal ein komplettes
Getriebegehäuse getauscht werden. Aber Le Mans hat seine eigenen Gesetze, und auch das Getriebe des Porsche
Turbo kollabierte. Wie meist in Le Mans, streikte der 5. Gang. Und so war die ursprüngliche Reihenfolge wieder hergestellt.
Nebenbei: Porsche-Techniker halfen Matra -dem Hauptgegner in Le Mans- bei der Getriebe-Reparatur. Meine Hochachtung zur sportlichen Einstellung des Porsche-Teams!
Müller/van Lennep belegten mit dem Turbo-Coupe so einen viel beachteten 2. Platz hinter dem überlegenen Matra-Simca.
Österreichring
Erwartungsgemäß platzierte sich das Turbo-Coupe hinter den reinrassigen Prototypen von Matra, Alfa Romeo und Gulf. Platz 6 waren ein Ergebnis, mit dem man zufrieden sein konnte.
Watkins Glen
Watkins Glen brachte wieder ein sehr gutes Ergebnis. Technische Probleme an einem Matra und Alfa-Romeo brachten das Turbo Coupe auf den zweiten Platz.
Paul Ricard
Getriebeprobleme über die gesamte Distanz waren der Grund für das schlechte Abschneiden des TC in Paul Ricard
. Obwohl das 915-Getriebe gegenüber der 73er-RSR-Version verstärkt wurde, bereitete es über das Jahr einige
Probleme, und so konnte man gerade die Kunden-RSR mit Saugmotor schlagen, mußte sich aber u. a. sogar von zwei Uralt-Jöst-Porsche 908 geschlagen geben.
Obwohl die Einsätze im Prinzip Tests für den neuen 76er Wagen waren, schmerzten solche Ergebnisse sicher. Racer wollen gewinnen. Und Racer waren die Porsche-Leute ganz sicher.
Brands Hatch
Das vorletzte MWM-Rennen des Jahres ergab für das Martini-Team nochmal eine gute Chance für eine Platzierung
auf den vorderen Rängen. Alfa Romeo war nicht mehr am Start, denn die MWM war bereits entschieden. Aber der winklige Kurs von Brands Hatch lag dem hecklastigen TC, bei dem ca. 70% des Gesamtgewichtes auf der
Hinterachse lagen, nicht. Einsetzender Regen im letzten Renndrittel verbesserte die Chancen der Carrera eher nicht.
Und so musste man sich mit dem 5. Platz zufrieden geben - hinter den beiden Matra-Simca, einem Gulf GR 7 und dem schnellen Chevron-Hart B26 von Gethin Redman.
Am letzten MWM-Rennen, in Kyalami, nahm Porsche mit dem Carrera RSR Turbo nicht mehr teil. Man hatte die
gewünschten Erfahrungen gesammelt, der 935 konnte entwickelt werden. Da das neue Reglement dann doch erst ab 1976 gültig war, setzte man in dem Jahr keine Werks-Wagen in Rennen ein. Man kam dann erst 1976 wieder.
Und wie...
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Gegen Ende des Jahres 1974 brachte es das Turbo-Triebwerk auf 516 (Prüfstand-) PS und 560 Nm Drehmoment
bei 5600 U/min. Dieses Triebwerk wurde dann -praktisch unverändert- für den neuen Gruppe-6 - Wagen verwendet.
Der 936 wurde von Porsche innerhalb kürzester Zeit konstruiert, da zu befürchten war, daß die Gruppe 5 zusammen
mit der Gruppe 6 in den selben Rennen startete. Und Porsche wollte Gesamtsiege. Diese aber waren mit einem Gruppe 5 gegen die stärkere Gruppe 6 kaum möglich. Letztendlich fuhren die Gruppe 5 und 6 dann doch in
getrennten Rennen. Doch den 936 konnte man auch gut in Le Mans gebrauchen. Mit dem 935 und dem 936 gewann Porsche beide 76er Weltmeisterschaften und die 24h Le Mans. Mehr konnte man nicht gewinnen.
Der 935 wurde zum Seriensieger in der Gruppe 5, gewann 1979 gar die 24h von Le Mans, und leistete in der stärksten Version über 800 PS.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte...
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