Motorsport 1974 – Ein Rückblick
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Den, von den Erfolgen deutscher Rennfahrer verwöhnten F1-Fan gibt es
noch nicht. Der spätere 7fache rennt noch mit der Trompete um den Weihnachtsbaum. Man freut sich als Motorsport-Fan über Punkteplatzierungen deutscher Fahrer und über gute Leistungen aller Fahrer. Die Nationalität
ist eigentlich zweitrangig – es geht um den Sport.
In der Formel 1 sind Rolf Stommelen, Jochen Mass und Hans J.
Stuck für Deutschland unterwegs. Während Rolf bei Graham Hill gegen Ende der Saison endlich in einem Team fahren kann, in dem er fair behandelt wird, haben Jochen (Surtees) und Stuck (March) nach wie vor einen
schweren Stand in ihren Teams. Die letzten Rennen der Saison startet Jochen für McLaren.
In einigen Rennen ist der Enkel von Adam Opel, Rikky von Opel, am Start – allerdings für Liechtenstein.
Die Technik der Wagen ist noch begreifbar. Der Sound faszinierend.
Vor allem die Zwölfzylinder von Ferrari und Matra beeindrucken das Gehör. Der Verstand empfiehlt den Gehörschutz, das Herz die volle Dröhnung. Aber auch der Sound des Cosworth-Triebwerk ist Musik für die Ohren.
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Brabham BT 44 (AvD-Oldtimer-Grand-Prix 2011)
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Neue F1-Fahrer bekommen in der Regel erst mal mindestens ca. 3
Sekunden verbraten. Fahrhilfen gibt es halt noch nicht. Runterschalten geht nur mit Zwischengas. Der spätmöglichste Bremspunkt muß deshalb mit Bedacht gewählt werden. Ein einziger Fehler, etwa die richtige Drehzahl
beim Einkuppeln verpasst, und man hängt in den Planken wenn man den letztmöglichen Bremspunktes gewählt hat. Das Rennen war dann nicht nur beendet, es bestand Lebensgefahr. Man fährt in fragilen Benzinbomben.
Kohlefaser gibt es noch nicht. Fast jedes Jahr sterben Fahrer. Das schwarze Kleid für Beerdigungen zählt bei den Rennfahrerfrauen bei den Reisen zu den Grand Prix zum Standardgepäck.
Einige Fahrer haben einen Magneten in der Tasche um den Schleppzeiger
des Drehzahlmessers, der die Maximaldrehzahl anzeigt, zu korrigieren - denn oft passierte es, dass beim Runterschalten die Maximaldrehzahl überschritten wurde.
Telemetrie ist noch ein Fremdwort. Die Abstimmung muss sich der Fahrer selbst erarbeiten.
Die (kommenden) Stardesigner der Formel 1 heißen Murray und
Postlethwaite. Ein Kirmes-Reglement mit Zwangsboxenstopps ist noch unvorstellbar. Die Regeln sind einfach, klar und logisch. Die meisten Formel 1-Fahrer starten selbstverständlich auch in anderen Serien. Stuck z. B.
in der Formel 2, der Marken-Weltmeisterschaft, der Europameisterschaft für Tourenwagen und der Deutschen Automobil Rennsportmeisterschaft.
Formel 1 - Weltmeister 1974 wird Emerson Fittipaldi.
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Emerson Fittipaldi - F1-Weltmeister 1974 (Jochen-Rindt-Show 1974)
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Eine Motorshow in Deutschland ist noch eine Motorshow. Es werden
Rennwagen gezeigt, kein Tuningzubehör. Dafür gibt es viele aktuelle Rennfahrer zu sehen. Die Chance an ein Autogramm zu kommen liegt bei nahezu 100%. Motorshows gibt es u. a. in Essen, Dortmund und Aachen. Eine
Touristenrunde über die Nordschleife kostete keine 10 DM. Während der Touristen-Runde traf man auf R5-Rennfahrer, die dort (inoffiziell) trainierten. Heute absolut undenkbar.
Die Marken-Weltmeisterschaft (MWM) ist 1974 eine Serie, die der F1
bezüglich Fahrer, Technik und Spannung Paroli bietet, in der Vergangenheit die Formel 1 sogar überbot – Stichwort Porsche 917 vs. Ferrari. Matra-Simca ist die Marke, die es 1974 zu schlagen gilt. Alfa-Romeo, die
Gulf-Mirage und Ferrari (in Le Mans) bemühen sich redlich, aber ohne großen Erfolg.
In Monza allerdings gelingt Alfa 1974 ein Dreifach-Sieg. Wobei sich
Alfa-Pilot Ickx die Blödheit leistet den Start bei Regen als einziger Fahrer nicht mit Regenreifen zu fahren. Erst als Ickx in seinem 500 PS starken Alfa-Romeo 33TT12 von einem Ford Escort(!!!) überholt wird
entschließt er sich auf Regenreifen zu wechseln. Als 29. kehrt er auf die Strecke zurück. Teamkollege Rolf Stommelen macht in seinen Turns zwar viel verlorenen Boden gut, kann aber den dummen Fehler von Ickx nicht
komplett ausgleichen. Es reicht für Stommelen/Ickx “nur“ zu Platz 2.
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Alfa-Romeo 33TT12 (Techno Classica Essen 2011)
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Porsche nutzt die MWM um für die neue Gruppe 5 zu testen - Stichwort
Porsche Carrera RSR Turbo. Und am Ende des Jahres reicht es sogar für den Vize-Titel in der MWM. Und beinahe hätte es sogar für einen Sieg bei den 24h von Le Mans gereicht.
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Porsche Carrera RSR Turbo (1000 km -Rennen Nürburgring 1974)
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In der Tourenwagenszene toben die Porsche Carrera, BMW CSL und Ford
Capri. Herrliche Tourenwagen, denen man die Dynamik beim Fahren noch ansieht. Man fährt nicht wie heute üblich hintereinander her, sondern stürzt sich zu Dritt in die Kurven. Die Fahrer reden noch Klartext: “Den Kerl hau ich zusammen.” So Hans Stuck über einen Kontrahenten beim 6h-Rennen auf dem Nürburgring, der beim Überrunden nicht schnell genug Platz machte, weshalb Stuck sein CSL-Coupe kaltverformte.
Sponsorgeföhnte Fahrerpüppchen gibt es 1974 noch nicht...
Neben der DRM gibt es noch die Europameisterschaft für Tourenwagen
und Europa-GT-Meisterschaft. Auch hier beinharter Sport mit eindrucksvollen Rennen. In die Fahrerlager zu kommen ist kein Problem. Die Fahrer sind (normalerweise) ansprechbar. Der Fan zählt noch was.
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Rolf Stommelen im Werks-Capri 1974
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Und es gibt natürlich noch die CanAm-Serie und Interserie. Die
Interserie wird von Porsche dominiert. In der CanAm-Serie siegen inzwischen, nach der Verbannung der Porsche 917, die UOP-Shadow.
Die Porsche 917/10, bzw. Porsche 917/30 mischten die CanAm-Serie in
den Vorjahren derart auf, dass sich die Regelpäpste -wie schon vorher in der MWM- genötigt sehen die Porsche per Reglementsänderung zu verbannen. Porsche war auf der Strecke nicht zu besiegen. Zu gut sind die Wagen
der genialen Porsche-Techniker.
Heuer wurde das BoP eingeführt um Porsche einzubremsen...
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Porsche 917/10
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Die erfolgreichsten Tuner heißen u. a. Zakspeed, Obermoser (TOJ),
Schnitzer und Kremer. Loos und Kremer konkurrieren bereits heftig. Reinhold Jöst ist mit seinem alten Porsche 908 unterwegs – und fährt durchaus achtbare Erfolge ein. Jörg Obermoser baut, mit
Warsteiner-Unterstützung einen eigenen Formel 2 und Sportwagen. Die goldenen TOJ sind absolute Hingucker und bieten den Gegnern durchaus Paroli.
Es gibt noch weitere interessante Rennserien. In der Formel 2 sind
aktive und kommende Formel 1 - Fahrer unterwegs. Stuck ist der “König von Hockenheim“. Die Bergrennen dominiert Willi Bergmeister in seinem NSU 1300. Der Name ist Programm. Bergmeister gewinnt alle Rennen seiner
Klasse.
Die Rennstrecken sind noch nicht durch Schikanen und meterhohe Zäune
verhunzt. Die Nordschleife wurde 1970 zwar entschärft, ist aber immer noch die schwierigste -und schönste- Rennstrecke der Welt. Le Mans ist noch das “McQueen-Le Mans“. Auch Brands Hatch und Silverstone sind noch
weitestgehend in originalem Zustand. Es gibt zudem noch weitere großartige Rennstrecken.
Der größte Rallye-Fahrer aller Zeiten ist u. a. in einem Gruppe 1
Opel Commodore und einem Opel Ascona unterwegs. Am Ende des Jahres sind Röhrl/Berger Rallye-Europameister. Ein paar Jahre später ist Walter der erste Deutsche, der einen Weltmeister-Titel erringt.
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Opel-Postkarte von 1974
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Schön war’s 1974...
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